Zweifelhafte Ehre: "Sprachwahrer des Jahres"

31.03.2011 |

Pünktlich zur Leipziger Buchmesse schob sich Mitte März der Erlangener "Verein für Sprachpflege" mit seiner Zeitschrift "Deutsche Sprachwelt" in dem medialen Vordergrund. Die Macher_innen der Zeitschrift verliehen medienwirksam dem Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) den Preis "Sprachwahrer des Jahres". Bildlich setzten Sie die Verleihung mit Hilfe eines selbstgestalteten Ortsausgangsschildes in Szene, auf dem zu lesen ist: "Freie Fahrt für die Deutsche Sprache | Denglisch". Als Preisträger wurde Ramsauer ausgewählt, da er sich in seinem Tätigkeitsfeld seit einiger Zeit für den Ersatz von Begriffen englischer Herkunft durch (vermeintlich) deutsche Worte einsetzt.

Dass es sich bei dem Preis "Sprachwahrer des Jahres" um eine äußert zweifelhaft Ehrung handelt, wird schnell deutlich, wenn man hinter die Fassade der "Deutschen Sprachwelt" blickt. Nicht nur mit ihrem Namen macht die Zeitschrift einen deutschen "Welt"-Geltungsanspruch deutlich. Der hinter ihr stehende Verein macht sich vor allem durch allerlei abstruse politische Positionen und Forderungen auf sich aufmerksam. Dabei wird eines überdeutlich: Den Protagonist_innen geht es kaum um Sprache. Diese ist nur das Vehikel für ihren deutsch-nationalen Geltungsdrang.

Unsinnige Forderungen

Als "sprachpolitische Forderung" nennt der Verein auf seiner Webseite u.a. die "Beherrschung der deutschen Sprache" als "Vorraussetzung für langfristigen Aufenthalt" in Deutschland. Raus also mit all den internationalen Bankern auf Frankfurt/Main möchte man sofort laut ausrufen! Ebenfalls als "sprachpolitisch" wird die Forderung nach "Förderung von Bildung und Familie" gesehen. Da es hier um die Förderung von "Deutsch" gehen soll, beschränkt sich der Verein mit seiner Forderung gefühlt auf "deutsche Familien". Im Zusammenhang mit dem Vorgannten drängt sich also die Vermutung eines völkisch-ethnischen Begriffes des "Deutschseins" auf.

Zum "Welttag der Muttersprache" erklärte der Verein am 21. Februar, den "Englischunterricht zugunsten anderer Sprachen" einschränken zu wollen. Dagegen solle Latein als erste Fremdsprache gefördert werden. Eine tote Sprache soll den deutschen "Sprachwahrern" zufolge also mehr zum interkulturellen Austausch zwischen den Menschen beitragen, als das Englische. Anlass für die Anti-Englisch-Kampagne der Deutschen Sprachwelt war u.a. die bildungspolitische Entschdeidung in Tschechien und der Slowakei, künftig Englisch als erste Fremdsprache zu lehren, statt deutsch.

Was man hierzulande gern zurückdrängen oder gar ganz abschaffen möchte - als "fremd" angesehene Spracheinflüsse - wird für das Ausland dagegen als wünschenswertes Ziel angesehen: Forderung Nr. 8 der sprachpolitischen Grundsatzforderungen des Vereins will die "Förderung von Deutsch im Ausland".

Diffamierung

Doch der Verein begnügt sich nicht nur mit unsinnigen Forderungen und der Auszeichnung alljener, die diese öffentlich vertreten. Er operiert umgekehrt auch mit dem Mittel der Diffamierung von Personen und Institutionen, die seiner Meinung nach der "Reinhaltung des Deutschen" nur ungenügend gerecht werden. So wird unter der Rubrik "Sprachpanscherei" in jeder Ausgabe der Zeitschrift aus mehreren Vorschlägen ein "Sprachsünder" (bis 2004 wurde er/sie gar "Sprachpanscher" genannt) ausgewählt und öffentlich angeprangert.

Die Rede von "Sprachpanscherei" legt dabei deutlich eine Vorstellung von bestimmter Reinheit der Sprache nahe, die Parallelen zu Vorstellungen von ethnischer "Reinheit des Volkes" aufweist. Was man für die "deutsche Rasse" öffentlich nie zu fordern wagte, kann für die deutsche Sprache als mehrheitsfähig gelten: Fremde Elemente müssen Vorstellungen der DSW zufolge aus "unserer" schönen deutschen Sprache gezielt ausgeschlossen werden.

Nationaler Geltungsdrang

Dass hinter der vermeintlichen Förderung der deutsche Sprache nichtsweniger als die kleinbürgerliche Sorge vor nationaler Unbedeutsamkeit sowie der Drang nach Weltgeltung steckt, wird vielleicht am besten deutlich in den Einsendungen von Leser_innen der DSW zum Projekt "1.000 Gründe für die deutsche Sprache". Schon ein kurzer Blick in die Liste genügt, um zahlreiche Absurditäten, erschreckende Naivitäten und widerliche Überheblichkeiten zu identifizieren:

  • Grund 84: "weil ich kein Nationalist, aber ein national empfindender Mensch bin."
  • Grund 288: "weil andere Kulturnationen uns wegen unserer denglischen Schimpansensprache bedauern und verlachen."
  • Grund 303: "weil sie von allen Sprachen der Welt die edelste ist."
  • Grund 392: "weil wir Nationalstolz haben sollten."
  • Grund 418: "weil sie die Muttersprache der Volksdeutschen ist, die nachhaltig zur kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung Mittel- und Osteuropas beigetragen haben"
  • Grund 474: "weil sie eine schöne und interessante Sprache ist, die man insbesondere nicht durch Wortkonstruktionen mit anderen Sprachen (zum Beispiel Englisch) verunglimpfen und vergewaltigen sollte"
  • Grund 692: "weil sie die Sprache des – offiziell nicht existierenden – Textes der Hymne der Europäischen Union ist („Ode an die Freude“)"
  • Grund 723: "weil offenbar in den USA langsam das „YES“ von unserem bodenständigen „JA“ verdrängt wird."
  • Grund 730: "weil sie Nährboden für die beste Literatur der Welt ist."
  • Grund 915: "weil jede sterbende Sprache – auch unsere ist vom Siechtum bedroht – ihre Nutzer von der Vielfalt zur Einfalt degeneriert"
  • Grund 988: "weil sie auch in der Globalisierung rein bleiben soll, was für jede Muttersprache gelten sollte."

Dieser kollektive Ausdruck der Angst um die deutsche Sprache, dekodiert sich bei näherer Betrachtung viel eher als ein Ausdruck der Verängstigung über den vermeintlichen Verlust von nationaler Kultur und Identität. Damit lässt sich das Ramsauer überreichte Schild "Freie Fahrt für die Deutsche Sprache" auch als "Freie Fahrt für die Deutsche" lesen. Eine äußerst beunruhigende politische Forderung.

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Kommentare

Ich bin über einen Artikel auf einem Dresdner Blog auf Ihre/Eure Seite aufmerksam.

So sehr ich das Ansinnen verstehe, denke ich, dass man korrekt zitieren sollte, denn es hieß "Frei Fahrt für die deutsche Sprache", es sei den es wurde später verändert.

Gegen eine Pflege der deutschen Sprache ist gar nichts gar nicht einzuwenden, und die schärfsten Englisch-Kritiker sprechen vermutlich wenig bis gar kein Englisch. Doch Englisch ist nunmal die Weltsprache Nr. 1.

Ich denke, es ist gut, wenn man den VDS und die DSW kritisiert, doch vielleicht eher in den Auswüchsen als im Ansatz, denn die sind nachvollziehbar.

Das erinnert mich alles ein bisschen an die Sarrazin-Debatte. Der meinte auch zu 90% etwas völlig anderes als seine Zujubler ("Fans" :).

Und ja, mich schüttelt es bei solchen Einträgen wie "weil sie von allen Sprachen der Welt die edelste ist." oder "weil sie auch in der Globalisierung rein bleiben soll, was für jede Muttersprache gelten sollte." auch etwas, allerdings mehr weil ich darüber lachen kann ... dumme Menschen schreiben nunmal dumme Dinge :)

Könnt ihr den DWS und den VDS nicht etwas auf die Schippe nehmen? Wo bleibt der Humor in der Kritik?

Grüße aus Dresden ...

Lieber Micha,

vielen Dank für deinen Beitrag und schön, dass du dich für unser Anliegen interessierst!

Sprachpflege allgemein ist sicher eine schöne Sache und so sind wir nicht gegen Sprachkritik an sich, sondern gegen eine bestimmte Art und Weise der Sprachkritik. Somit sehen wir die Arbeit des VDS sowohl aus einer sprachwissenschaftlichen wie auch aus einer politischen Perspektive als sehr bedenklich (mehr dazu findest du auch unter "Hintergrund").

Ich würde nur kurz gern den Aspekt Humor aufgreifen. Unsere Kritik äußert sich ja nicht nur in einzelnen Blogs (die mal ernster und mal satirischer sind), sondern auch insgesamt in dem ganzen Projekt "Zahlpatenschaft". Wir empfinden dies eigentlich schon als eine humoristische Antwort auf die Initiative "Wortpatenschaft" vom VDS. Dabei ist die Zahlpatenschaft sicher mit einem Augenzwinkern gemeint, verfolgt natürlich aber auch ein ernstes Anliegen. Also, du bist herzlich eingeladen, dich ein wenig weiter auf unser Seite umzuschauen, vielleicht findest du ja auch eine schöne Zahl. Kritik und Anregungen sind immer herzlich willkommen!

 

Zahlreiche Grüße aus Leipzig nach Dresden

 

Gina.

Danke für deine Antwort, Gina.

Witzigerweise habe ich heute mindestens 3 (drei :) RS&GR-Fehler in meinem Kommentar gefunden - wenn das der VDS sehen würde :)

Okay, die Humorkomponente ist angekommen ...

Ich hab's ansonsten nicht so mit "Gegen-Rechts"-Projekten, gleichwohl ich die Sache im Ansatz verstehe. Ich bin für mehr Vielfalt. Das Konservative ist ja auch wichtig, als erhaltende Komponente ... wer progressiver sein will, immer zu. Man sollte sich da nicht aufhalten lassen - so ist mein Ansatz. Und reden ist das eine, tun das andere.

Euch viel Erfolg ... Micha der von Dresden zurück nach Leipzig grüßt.