Sprachwissenschaftlerin im Interview zu "Jugendsprache" und "Denglisch"

05.04.2011 |

In der heutigen Ausgabe der Frankfurter Rundschau findet sich ein sehr lesenswertes Interview mit der Linguistin Eva Neuland. In einem DFG-Projekt führte die Professorin an der Uni Wuppertal jüngst die bisher größte Längsschnittstudie zum Thema "Jugendsprache" durch.

"Jugendsprache" ist der Forscherin zufolge kein statistisch relevantes Phänomen. Auch wenn Lehrer klagen, dass schon das Bilden ganzer Sätze viele Schüler überfordere, gilt:

[...] Statistisch ist es [...] kein auffälliges Phänomen. Nach unseren Daten passen Jugendliche ihre Sprache nicht nur an Gesprächspartner und Situation an. „Kiezdeutsch“ à la „Hab isch Bus“ ist auch weit weniger üblich als angenommen. Man könnte auch sagen: In der Öffentlichkeit, oder auch in der Comedy-Sparte im Fernsehen ist sie weiter verbreitet als unter Jugendlichen.

Tatsächlich bereichert der (Jugend-)Slang die deutsche Sprache. Viele ehemalige Slang-Worte sind heute Alltagssprache. Und das nicht erst seit gestern:

Schon im 18. Jahrhundert galt die Sprache der Studenten als minderwertig. Schon damals kursierte die Befürchtung, dass die jungen Leute die Sprache nicht mehr gut beherrschen. Ein schönes Wort, das die Studenten damals aus der Gaunersprache übernommen haben, ist die „Kneipe“. Das war früher einmal eine „Diebesherberge“.

Die Kritik selbsternannter "Sprachpfleger" am Einfluss des Englischen in die deutsche Sprache lässt Neuland nicht gelten. Der Einfluss von verschiedenen Sprachen untereinander, sobald sie über soziale Kontakte miteinander in Verbindung stehen sei ein ganz normaler Vorgang - und sprachwissenschaftlich darüber hinaus vollkommen unproblematisch:

Die deutsche Sprache verfügt über eine enorme Integrationskraft. Sie kann Wörter aufnehmen, ohne dass das ihrer Struktur und der Grammatik Abbruch tut. Wenn ein Wort integriert wird, wird es so eingedeutscht, dass es am Ende gar nicht mehr als fremd auffällt: Nehmen Sie nur „babyhaft“ oder „burschikos“: Fällt da heute noch jemandem auf, dass der deutsche Bursche mit einer griechischen Endung versehen wurde?

Entsprechend ist auch das vielfach kritisierte "Denglisch" einerseits kein Problem, da es weit weniger verbreitet ist als angenommen, andererseits eine Bereicherung für die deutsche Sprache statt eine Bedrohung darstellt:

[Denglisch] ist viel weniger verbreitet, als es die Debatte glauben macht. Zudem lassen sich englische Wörter problemlos integrieren: Da checkt einer etwas nicht oder geht shoppen. Shoppen ist übrigens auch ein gutes Beispiel dafür, dass es gar nicht immer ein deutsches Pendant für einen Begriff gibt. [...] Shoppen enthält ja durchaus auch die Möglichkeit, nichts zu kaufen. Es entspricht eher dem früheren „bummeln“ gehen. Das ist aber so aus der Mode gekommen, dass Jugendliche es nie kennengelernt haben.

Das komplette Interview findet sich hier.

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